Samstag, 8. Februar 2020

Tea & Tears


Hi, ich bin Celine and I – Oh my gosh, sorry! Ich bin gerade back aus meinem semester abroad in England und jetzt muss ich mich erst mal wieder umstellen, you know. – Keine  Sorge, sowas werdet ihr von mir natürlich nicht hören. Trotzdem steckt was Wahres drin. Erstens: Ich bin wieder da, Baby! Und zweitens: Sich nach einem Auslandsstudium wieder daheim einzuleben ist gar nicht so einfach. 
                Die Heimkehr finden so viele schwierig, dass das Phänomen sogar einen eigenen Namen hat! Reentry Shock oder Reverse Culture Shock beschreibt die (psychischen) Probleme, die viele Studierende nach ihrem Auslandsstudium haben. Wenn man sich nach längerer Abwesenheit wieder an die eigene Kultur anpassen muss, kann das nämlich emotionalen Stress auslösen. Eine Studie ("Reentry Issues upon Returning from Study Abroad Programs", Wielkiewicz & Turkowski) hat bei heimgekehrten Studenten unter anderem Probleme an der Uni, Depressionen, Angstzustände und Stress festgestellt. Außerdem sind die meisten Studierenden nach einem Auslandsaufenthalt ihrer eigenen Kultur gegenüber kritischer eingestellt als zuvor. Die Studie hat vor allem gezeigt, dass Studenten während und nach einem Auslandsstudium sehr viel mehr Alkohol trinken. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob letzteres so viel mit psychischen Problemen zu tun hat…
Das berühmt-berüchtigte "Studieren" im Ausland ©Geburtszeit.com
                Wie es bei mir emotionsmäßig aussieht? Ich hänge nicht an der Pulle und hab zum Glück weder Depressionen noch Angstzustände. Heimkehrer zeigen auch weniger extreme, aber trotzdem negative Emotionen, sie sind zum Beispiel leicht reizbar oder haben Stimmungsschwankungen. Klar, daheim gehen mir meine Eltern ab und zu auf die Nerven und ich bin mal launisch, aber das ist beides schon immer so gewesen. Ob mir die Uni und das Pensum stressiger als zuvor vorkommen, ist schwer zu sagen, da ich gerade Semesterferien habe (juhu!). Ich bin einfach froh, die englische Prüfungsphase und Essay-Deadlines hinter mir zu haben. Also fühle ich mich gerade sehr wohl und entspannt daheim.
                Trotzdem hab ich mich nach meiner Rückkehr letzte Woche immer mal wieder ein bisschen… komisch gefühlt. Kennt ihr das, wenn ihr manchmal einfach grundlos traurig seid?
©ME.ME
Das war so eine Mischung aus Überforderung und Verlorenheit. Ich hab nach meinem Auslandssemester vermisst, eine Aufgabe zu haben und genau zu wissen, was als nächstes kommt. Mein Gegenmittel bei negativen Gedanken? Ich erinnere mich an all das, was noch vor mir liegt und freue mich darauf. Zum Beispiel meine Freunde wiederzusehen, zu  verreisen und in eine neue WG zu ziehen. Gleichzeitig hilft es, einfach die kleinen Dinge im Moment zu genießen: keine Flipflops mehr in der Dusche tragen zu müssen, Auto zu fahren mit meiner Mutter auf dem Beifahrersitz (und Panik in ihrem Gesicht), mich ins eigene Bett zu kuscheln, in eine Butterbrezel zu beißen.
Manchmal sind wir nämlich auch einfach nur hangry. ©QuoteMaster.org
                Trotzdem vermisse ich natürlich viel aus meinem Auslandssemester. Zuerst einmal fehlen mir meine Freunde aus Nottingham, unsere gemeinsamen Unternehmungen und Reisen. Auch ganz vorne mit dabei: eine Teatime mit Scones und Carrot Cake! Ich will zwar beides bald selbst backen, aber falls das Ergebnis kein Desaster wird (unwahrscheinlich), dann wird es zumindest nicht genauso gut wie in England. Auf jeden Fall vermisse ich es total, nicht mehr die meiste Zeit Englisch zu sprechen. Ein paar Pubs um die Ecke wären auch nicht schlecht. Und schließlich trauere ich meinen Spaziergängen im Wollaton Park hinterher. Da können die heimischen Feldwege einfach nicht mithalten.
Der Rundweg um den See ist eins der Highlights im Wollaton Park
                Doch ein Reentry Shock bringt noch mehr als Sehnsucht und negative Emotionen mit sich. Nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland haben einige Studenten eine regelrechte (kulturelle) Identitätskrise. Ihre Wertvorstellungen unterscheiden sich von denen ihrer Heimatkultur, welche ihnen auch plötzlich langweilig vorkommt und sie kritisieren ihre eigene Regierung. Bei mir ist das alles halb so wild. Mein Auslandssemester hat mich zwar tatsächlich zu einem noch größeren Fan der englischen Kultur gemacht und mich davon überzeugt, dass wir Deutschen uns ein paar Dinge abschauen könnten. Ich habe aber nicht wirklich mehr an der deutschen Kultur, Regierung oder Werten auszusetzen als vorher. Und dass ich mich ab jetzt beim Aussteigen beim Busfahrer bedanke, ist ja noch lang keine Identitätskrise.
                Ein Auslandsaufenthalt gibt uns das Gefühl, dass uns die Welt offen steht und nur auf uns wartet. Kein Wunder, dass mir zum Beispiel meine Heimatstadt ein bisschen trostlos vorkam im Gegensatz zum lebendigen Nottingham und der Uni mit ihren tausenden Studenten. Eigentlich ist dieser Reentry Shock gar nicht so schlimm – Uns wird einfach klar, dass die Heimat nicht alles ist, sondern dass es noch mehr für uns gibt und woanders auch schön sein kann. Diese Erkenntnis kann natürlich angsteinflößend sein und uns total überfordern. Lasst euch aber von diesen negativen Gefühlen nicht runterziehen, sondern konzentriert euch auf die Möglichkeiten, die vor euch liegen. Wenn ich mal wieder schlechte Stimmung hab und mich die Sehnsucht packt, mach ich mir eine Tasse Yorkshire Tea – Fühlt sich fast so an, als wäre ich in England.

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