Mittwoch, 4. Dezember 2019

Quite an experience


2019 ist bald schon vorbei und auch das Ende meines Auslandssemesters ist so langsam in Sicht. Zeit, um auf all die wertvollen Erfahrungen zurückzublicken, die ich bisher in England gemacht habe. Beim Auslandsstudium lernen wir nämlich jede Menge – das Wenigste davon in der Uni! 
Da hätte mir Lynne Montrose sicher zugestimmt – Sie argumentierte in ihrem Artikel „International Study and Experiential Learning: The Academic Context“, dass erfahrungsbasiertes Lernen (experiential learning) für Auslandsstudien wichtig ist. Denn nach diesem Modell erzielen wir Lernende Bildungsergebnisse aus persönlichen Erfahrungen, die wir außerhalb der Uni machen. 
Natürlich passen nicht alle meine Erfahrungen in diesen Blog und schon gar nicht in einen einzigen Post. Also konzentriere ich mich mal nur auf ein paar Highlights der Dinge, die ich hier an der Uni nie gelernt hätte. 
Wie ich in meiner Freizeit englische Umgangssprache lerne und neue Sportarten wie Lacrosse oder Klettern ausprobiere, habe ich ja schon beschrieben. Wo lernt man aber zum Beispiel mehr über britische Kultur als in einem Pub? Englisches Bier schmeckt zwar gruselig, aber nirgends kann man abends gemütlicher zusammensitzen (oder günstiger essen).

Im "ältesten Pub Englands" wird der Pub-Besuch zum besonderen Erlebnis - Ye Olde Trip to Jerusalem befindet sich nämlich in Höhlen.

Apropos „typisch englisch“: Der Besuch im Fußballstadion war definitiv eins meiner Highlights! Obwohl es kalt war, ich keine Ahnung von Fußball habe und unsere Mannschaft verloren hat.


Natürlich ist es viel gemütlicher, ein Fußballspiel im Fernsehen auf dem Sofa anzuschauen. Und selbst bei dieser alltäglichen Erfahrung des englischen Fernsehens können wir jede Menge lernen! So bin ich durch Zufall auf The Great British Bake Off gestoßen. Nachdem ich mit Freundinnen spontan das diesjährige Finale beim Public Viewing angesehen hatten, waren wir uns einig: Es gibt nichts Britischeres. Und wer hätte gedacht, dass eine Backshow so nervenaufreibend sein kann? Als eine Kandidatin ihr Soufflé aus der Form holen wollte, kam ihr statt eines festen Auflaufs nur eine breiige Masse entgegen – Kollektives Aufkeuchen im Kinosaal!

Im Lauf einer Staffel backen britische Hobbybäcker an verschiedenen Stationen im ganzen Königreich. Dazu gibt's dann zum Beispiel die Geschichte von Shortbread. ©Love Productions

Wer mehr von dem Land sehen möchte, in dem ihr vorübergehend studiert, muss natürlich reisen. Dabei habe ich einige meiner besten Erfahrungen gemacht – Es gibt zum Beispiel wenig Schöneres als Punting in Cambridge, Wandern in Snowdonia oder sich beim Chatsworth House wie in Stolz und Vorurteil zu fühlen. 

Mr. Darcy ist mir leider nicht begegnet

Zum Kennenlernen einer Stadt oder Gegend gehört natürlich auch die Erfahrung dazu, das ortstypische Essen zu probieren!

Was ich in York gegessen habe? Natürlich Yorkshire Pudding (unten links)!

Ich habe ja schon ausführlich von den vielen Abscheulichkeiten berichtet, die die Engländer auftischen – die Erfahrung eines Full English Breakfast werde ich leider niemals vergessen können – aber an der Stelle muss ich noch betonen, dass es auch viel Leckeres gibt. Da Engländer immer und überall Crisps essen, gibt es natürlich eine riesige Auswahl! (Allerdings gibt es auch hier etwas … spezielle Geschmacksrichtungen wie „Rosenkohl“ oder „Trüffel“.) Am meisten begeistern mich aber britische Süßspeisen! Natürlich Scones und Shortbread, aber auch Kuchen wie Victoria Sponge Cake, Carrot Cake (!!!) und verschiedene kleine Tarts. Eine besondere Erfahrung war auch der Besuch einer Fudge Kitchen, wo das Karamell-Konfekt von Hand hergestellt wird.

Die flüssige Karamell-Masse wird so lange hin und her gestrichen und gerührt, bis sie fest wird

Von so vielen Leckereien umgeben, habe ich direkt Lust bekommen, selbst etwas Typisches zu backen! Und die Cake Society an meiner Uni hat’s möglich gemacht: Trotz meiner bescheidenen Backkünste (ich versage sogar bei Backmischungen), habe ich ein Blech goldbrauner Cheese Scones zustande gebracht.

Zu 90% Brittas Verdienst, die geduldig auch meine dümmsten Fragen beantwortet hat

Auch beim Feiern, vor allem mit britischen Freunden, habe ich viel dazugelernt. Wo sonst hört man von wichtigen Redewendungen wie „Down it!“/ „See it off!“ für „Auf ex!“ oder hat dank Uber das Superstar-Feeling, direkt vor dem Club aus einem riesigen Auto auszusteigen? Nach dem Ausgehen weiß ich auch endlich, warum Engländer nie Jacken über ihren freizügigen Outfits tragen: „You don’t need to pay for the cloakroom“ – Ein Argument, das ich als Schwäbin natürlich sehr gut nachvollziehen kann. Dazu kommt noch, dass sie nach einigen Drinks zwar kein richtiger Mantel, dafür aber ein sogenannter „beer coat“ vor der Kälte schützt.

Down it!

Beim Experiential Learning findet laut Lynn Montrose der eigentliche Lernprozess aber eher weniger während der Erfahrung selbst statt, sondern wenn wir uns im Nachhinein Gedanken darüber machen. Was wir von einer bestimmten Erfahrung denken beeinflusst nämlich auch unser zukünftiges Verhalten.

©Imgflip

Solche neuen und extremen Eindrücke gehen uns ja meist ganz von selbst noch lange im Kopf rum! Also, unternehmt so viel wie möglich außerhalb der Uni. Netflix, Bücher und Social Media sind auch nach eurem Auslandssemester noch da. Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung. ;)