Montag, 10. Februar 2020

Looking for More – Finding ...?


So, hier kommt er jetzt – Mein letzter Post. Wie bitte? Es ist wirklich schon vorbei? Tja, meine Freunde, ich kann es auch kaum glauben, aber es ist tatsächlich time to say goodbye. Nach fünf aufregenden Monaten ist mein Auslandssemester in Nottingham vorbei, ich bin wieder zurück zuhause und der Reentry Shock ist bereits am Abklingen.
©memeshappen.com
                Während meines Auslandsaufenthalts war ich auf der Suche. Nach was genau, konnte ich nicht sagen – einfach nach Mehr. So entstand der Titel meines Blogs. Genauso diffus und schwer zu beschreiben wie meine „Suche“ ist auch was ich dann gefunden habe. Mal sehen, ob mir dieser allerletzte Post hilft, ein Ergebnis zu formulieren.
                Ich hab hier schon öfter über das geschrieben, was mein Auslandssemester bei mir bewirkt hat – wie sich meine Englisch-Kenntnisse, Problemlöse-Fähigkeiten oder interkulturelle Kompetenz verändert haben, zum Beispiel. Eine weitere Auswirkung hat die Studie Beyond Immediate Impact: Study Abroad for Global Engagement (SAGE) von Michael Paige et al. nachgewiesen. Und zwar engagieren sich Studenten nach einem Auslandsaufenthalt mehr auf globaler Ebene. Kategorien wie „gemeinnützige Tätigkeit“ haben Aufschluss über globales Engagement gegeben. Okay, ehemalige Auslandsstudenten engagieren sich also global – Aber tun andere Studenten das nicht auch? Tatsächlich sind Studierende mit Auslandserfahrung global engagierter als Studenten, die nicht im Ausland waren. Das haben Dianna Murphy et al. in ihrer Studie The Impact of Study Abroad on the Global Engagement of University Graduates gezeigt. Zur SAGE-Studie ergänzen sie außerdem noch, dass ehemalige Auslandsstudenten mehr international ausgerichteten Freizeitaktivitäten nachgehen.
                Noch bin ich nicht sozial engagierter als vor meinem Auslandssemester. Zum Beispiel mache ich genauso viel Freiwilligenarbeit wie zuvor. Ich sage „noch nicht“, weil ich mir tatsächlich vorgenommen habe, im nächsten Semester mehr ehrenamtlich tätig zu werden. Ob mich mein Auslandsstudium zu diesem Entschluss bewogen hat, kann ich nicht sagen. Aber wer weiß? Jedenfalls bin ich nach meiner Zeit in Nottingham nicht zu Robin Hood mutiert. Hach, was für ein Schenkelklopfer, oder?
Die Robin Hood Statue in Nottingham
                In anderer Hinsicht „engagiere“ ich mich aber mehr als vorher – Stichwort Umweltschutz. Ich weiß zwar nicht, ob Paige und Murphy das als globales Engagement sehen würden, aber da bin ich mir meiner eigenen Verantwortung bewusster. Weniger Palmöl und Plastik – Darauf hat mich nicht unbedingt mein Auslandsstudium an sich gebracht, sondern die Leute, die ich währenddessen kennengelernt habe. Von Kommilitonen, Freunden oder Mitbewohnern hört man, was andere Länder beim Umweltschutz anders/besser machen. Aber auch individuelle Meinungen und Lifestyles können inspirierend sein. Eine Freundin hat mir zum Beispiel erzählt, warum ich keinen Tiefkühl-Pangasius mehr kaufen sollte. Außerdem interessiere ich mich mehr fürs aktuelle Geschehen und Politik – in Deutschland, Großbritannien und auf der ganzen Welt. Dass meine englischen Freundinnen sich so sehr für die Labour-Partei eingesetzt haben und nach dem Wahlsieg der Tories am Boden zerstört waren, hat mich schwer beeindruckt. So hab ich meine Begeisterung für nachrichtliche Podcasts wie Beyond Today und The Inquiry entdeckt (neben weniger Anspruchsvollem wie My Dad Wrote A Porno).
©Cheezburger
Das soll kein Eigenlob sein, es ist eigentlich das Gegenteil. Das beeindruckende Interesse und Engagement von Leuten, die ich im Ausland kennengelernt habe, haben mir gezeigt, dass ich noch jede Menge aufzuholen habe. Mein Entschluss, so viel wie möglich auf Fleisch zu verzichten, kam mir wie ein krasser Schritt/Vorhaben vor. Die einstimmige Reaktion von zwei Freundinnen – „Das mache ich auch schon“ – hat mir gezeigt, dass das eigentlich längst überfällig war. Manchmal sind wir unserer Zeit einfach hinterher, ohne es zu merken. Neue Bekanntschaften und Ideen im Ausland können die Augen öffnen, was mal wieder zeigt, wie stark das letzte Semester mein Leben beeinflusst.
                Hui, das wurde gerade ziemlich schnell ziemlich deep – Schnell was Fröhliches hinterher: Ganz in Übereinstimmung mit Murphys Ergebnissen mache ich in meiner Freizeit mehr „Internationales“. Zum Beispiel schaue ich gerade das englische Love Island – Es hat ja niemand was von anspruchsvollen Aktivitäten gesagt. Mit Freunden vom Auslandssemester in Kontakt bleiben, Reisepläne schmieden und Besuche organisieren ist definitiv mein liebstes internationales Hobby. Ob ungesunde Mengen Schwarztee mit Milch trinken oder Scones backen wohl auch als internationale Freizeitaktivitäten durchgehen?
Der letzte Afternoon Tea – Da bekomme ich Sehnsucht nach England
                Wie nachhaltig beeindruckend ein Auslandsstudium sein kann, zeigt uns auch die SAGE-Studie. Die befragten Studenten haben das Gefühl, dass ihr Auslandsstudium den Verlauf ihres Lebens und ihre Berufswahl beeinflusst. Und mir geht‘s genauso. Nach einem Praktikum in England (vielleicht auch in einem anderen englischsprachigen Land) würde ich auch gern meinen Master im Ausland starten. Und später in einem anderen Land arbeiten? Warum nicht! Das Auslandssemester hat mich nochmal in meinen global orientierten Zukunftsplänen bestätigt.
©Know Your Meme
                So und jetzt fehlt nur noch eins: Vieeeelen Dank, dass ihr mich auf meiner „Suche“ begleitet habt! Dieser Blog ist mir total ans Herz gewachsen und oft ist mir erst durch ihn klar geworden, wie viel mir mein Auslandssemester gebracht hat und was ich alles gelernt habe. Gefunden habe ich vor allem tolle Freunde, habe mich noch mehr in die englische Sprache und Großbritannien verliebt, unbezahlbare Erfahrungen gemacht und Erinnerungen gesammelt, die für immer bleiben. Und – Achtung, schnulzig – auf meiner Suche hab ich auch was verloren, denn ein kleiner Teil meines Herzens wird immer in England bleiben. Ich kann es kaum erwarten, wieder zurück zu gehen. Euch wünsche ich nur das Beste für euer Auslandsstudium und bin gespannt, was ihr findet. Was es auch sei – Ich bin mir sicher, es wird unvergesslich.

Samstag, 8. Februar 2020

Tea & Tears


Hi, ich bin Celine and I – Oh my gosh, sorry! Ich bin gerade back aus meinem semester abroad in England und jetzt muss ich mich erst mal wieder umstellen, you know. – Keine  Sorge, sowas werdet ihr von mir natürlich nicht hören. Trotzdem steckt was Wahres drin. Erstens: Ich bin wieder da, Baby! Und zweitens: Sich nach einem Auslandsstudium wieder daheim einzuleben ist gar nicht so einfach. 
                Die Heimkehr finden so viele schwierig, dass das Phänomen sogar einen eigenen Namen hat! Reentry Shock oder Reverse Culture Shock beschreibt die (psychischen) Probleme, die viele Studierende nach ihrem Auslandsstudium haben. Wenn man sich nach längerer Abwesenheit wieder an die eigene Kultur anpassen muss, kann das nämlich emotionalen Stress auslösen. Eine Studie ("Reentry Issues upon Returning from Study Abroad Programs", Wielkiewicz & Turkowski) hat bei heimgekehrten Studenten unter anderem Probleme an der Uni, Depressionen, Angstzustände und Stress festgestellt. Außerdem sind die meisten Studierenden nach einem Auslandsaufenthalt ihrer eigenen Kultur gegenüber kritischer eingestellt als zuvor. Die Studie hat vor allem gezeigt, dass Studenten während und nach einem Auslandsstudium sehr viel mehr Alkohol trinken. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob letzteres so viel mit psychischen Problemen zu tun hat…
Das berühmt-berüchtigte "Studieren" im Ausland ©Geburtszeit.com
                Wie es bei mir emotionsmäßig aussieht? Ich hänge nicht an der Pulle und hab zum Glück weder Depressionen noch Angstzustände. Heimkehrer zeigen auch weniger extreme, aber trotzdem negative Emotionen, sie sind zum Beispiel leicht reizbar oder haben Stimmungsschwankungen. Klar, daheim gehen mir meine Eltern ab und zu auf die Nerven und ich bin mal launisch, aber das ist beides schon immer so gewesen. Ob mir die Uni und das Pensum stressiger als zuvor vorkommen, ist schwer zu sagen, da ich gerade Semesterferien habe (juhu!). Ich bin einfach froh, die englische Prüfungsphase und Essay-Deadlines hinter mir zu haben. Also fühle ich mich gerade sehr wohl und entspannt daheim.
                Trotzdem hab ich mich nach meiner Rückkehr letzte Woche immer mal wieder ein bisschen… komisch gefühlt. Kennt ihr das, wenn ihr manchmal einfach grundlos traurig seid?
©ME.ME
Das war so eine Mischung aus Überforderung und Verlorenheit. Ich hab nach meinem Auslandssemester vermisst, eine Aufgabe zu haben und genau zu wissen, was als nächstes kommt. Mein Gegenmittel bei negativen Gedanken? Ich erinnere mich an all das, was noch vor mir liegt und freue mich darauf. Zum Beispiel meine Freunde wiederzusehen, zu  verreisen und in eine neue WG zu ziehen. Gleichzeitig hilft es, einfach die kleinen Dinge im Moment zu genießen: keine Flipflops mehr in der Dusche tragen zu müssen, Auto zu fahren mit meiner Mutter auf dem Beifahrersitz (und Panik in ihrem Gesicht), mich ins eigene Bett zu kuscheln, in eine Butterbrezel zu beißen.
Manchmal sind wir nämlich auch einfach nur hangry. ©QuoteMaster.org
                Trotzdem vermisse ich natürlich viel aus meinem Auslandssemester. Zuerst einmal fehlen mir meine Freunde aus Nottingham, unsere gemeinsamen Unternehmungen und Reisen. Auch ganz vorne mit dabei: eine Teatime mit Scones und Carrot Cake! Ich will zwar beides bald selbst backen, aber falls das Ergebnis kein Desaster wird (unwahrscheinlich), dann wird es zumindest nicht genauso gut wie in England. Auf jeden Fall vermisse ich es total, nicht mehr die meiste Zeit Englisch zu sprechen. Ein paar Pubs um die Ecke wären auch nicht schlecht. Und schließlich trauere ich meinen Spaziergängen im Wollaton Park hinterher. Da können die heimischen Feldwege einfach nicht mithalten.
Der Rundweg um den See ist eins der Highlights im Wollaton Park
                Doch ein Reentry Shock bringt noch mehr als Sehnsucht und negative Emotionen mit sich. Nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland haben einige Studenten eine regelrechte (kulturelle) Identitätskrise. Ihre Wertvorstellungen unterscheiden sich von denen ihrer Heimatkultur, welche ihnen auch plötzlich langweilig vorkommt und sie kritisieren ihre eigene Regierung. Bei mir ist das alles halb so wild. Mein Auslandssemester hat mich zwar tatsächlich zu einem noch größeren Fan der englischen Kultur gemacht und mich davon überzeugt, dass wir Deutschen uns ein paar Dinge abschauen könnten. Ich habe aber nicht wirklich mehr an der deutschen Kultur, Regierung oder Werten auszusetzen als vorher. Und dass ich mich ab jetzt beim Aussteigen beim Busfahrer bedanke, ist ja noch lang keine Identitätskrise.
                Ein Auslandsaufenthalt gibt uns das Gefühl, dass uns die Welt offen steht und nur auf uns wartet. Kein Wunder, dass mir zum Beispiel meine Heimatstadt ein bisschen trostlos vorkam im Gegensatz zum lebendigen Nottingham und der Uni mit ihren tausenden Studenten. Eigentlich ist dieser Reentry Shock gar nicht so schlimm – Uns wird einfach klar, dass die Heimat nicht alles ist, sondern dass es noch mehr für uns gibt und woanders auch schön sein kann. Diese Erkenntnis kann natürlich angsteinflößend sein und uns total überfordern. Lasst euch aber von diesen negativen Gefühlen nicht runterziehen, sondern konzentriert euch auf die Möglichkeiten, die vor euch liegen. Wenn ich mal wieder schlechte Stimmung hab und mich die Sehnsucht packt, mach ich mir eine Tasse Yorkshire Tea – Fühlt sich fast so an, als wäre ich in England.