Montag, 11. November 2019

We need to talk

„Warum willst du ein Auslandssemester in England machen?“ Das war eine der Fragen, die mir im Erasmus-Bewerbungsgespräch an der Uni gestellt wurden. „Weil ich mein Englisch verbessern will“, fiel mir als Anglistik-Studentin als erstes ein. (Eigentlich als zweites, aber ich konnte ja schlecht sagen, dass einige junge, attraktive Royals an den Unis des Landes studieren.) Eine Fremdsprache zu verbessern ist auch für viele andere ein wichtiger Beweggrund, im Ausland zu studieren.
Und das zu Recht. Eine Studie („A Comparison of Spanish Second Language Acquisition in Two Different Learning Contexts: Study Abroad and the Domestic Classroom“, Segalowitz et al.) verglich die sprachlichen Lernerfolge (Second Language Learning) von US-amerikanischen Studierenden nach einem Auslandssemester in Spanien mit solchen, die am regulären Spanisch-Unterricht an der Heimatuni teilgenommen hatten. Die Studie zeigt folgendes: Ex-Auslandsstudenten sprechen besser und flüssiger als Daheimgebliebene. Die ehemaligen Auslandsstudenten konnten außerdem besser auf Spanisch erzählen und mussten weniger sprachliche Lücken ausgleichen. 
Das kann ich bestätigen: Nach zwei Monaten in England fällt es mir schon viel leichter, etwas zusammenhängend und schnell auf Englisch zu erzählen. Aber keine Ahnung, wie grammatikalisch korrekt das dann ist. So fanden auch Segalowitz et al. heraus: Was Grammatik und Aussprache betrifft, zeigte die Studie keine Unterschiede zwischen ehemaligen Auslandsstudenten und Daheimgebliebenen.
Ich lerne hier aber auf jeden Fall viel mehr neue Vokabeln, als es mir zuhause möglich wäre. Dabei ist meine Tandem-Partnerin eine riesige Hilfe – Ich kann euch diese Lernmethode wirklich nur empfehlen. Ihr habt so direkt einen einheimischen Freund gefunden, der eure Fehler verbessert statt über sie hinwegzuhören. Außerdem lernt ihr die Umgangssprache und Kultur kennen. Meine Tandem-Partnerin hat mir zum Beispiel vom North-South Divide in England erzählt, der sich schon in Kleinigkeiten wie der Aussprache von Scones äußert (Und je nach Aussprache und Ort wird man eventuell als posh bzw. als ungebildet abgetan.) 

Noch eine Kontroverse rund um Cream Tea (Tee und Scones mit Marmelade und Clotted Cream): Kommt zuerst Marmelade oder Clotted Cream auf den Scone?

Während wir in Deutschland vor allem amerikanisches Englisch hören (in Songs oder wenn wir eine TV-Serie suchten), lerne ich hier zur Abwechslung mal speziell britische Vokabeln. Das ist teilweise wie eine ganz neue Sprache zu lernen: Was bedeutet zum Beispiel “It’s tipping it down“? Keine Ahnung? Dass es sehr stark regnet. Und “It’s spitting”? Nieselregen. Die Briten sagen lads und mate und „You alright?“ statt „How are you?”. Außerdem hört ihr überall „Cheers!“, was gleich drei verschiedene Bedeutungen haben kann (ein Trinkspruch, „Danke“ oder „Tschüss“). Pullis sind jumpers, nicht sweaters und Sneakers sind trainers. Auch ganz wichtig: Chips sind nicht chips sondern crisps und Pommes sind nicht fries sondern chips. Und, hast du dir alles gemerkt?

©ME.ME

Was deutlich besser geworden ist, ist mein Sprachverständnis – nach jeder Menge unangenehmer Situationen. So habe ich vor einer Weile versucht, im Restaurant einen Burrito zusammenzustellen und musste die Bedienung bei jedem Bestandteil mindestens zweimal fragen, was das ist, bevor ich zumindest mal wusste, ob es sich um Fleisch oder Gemüse handelt. Die Briten machen es Ausländern mit ihren teils unverständlichen Dialekten wirklich  nicht leicht. Trotzdem verstehe ich mittlerweile sogar in einem lauten Pub mit einem Cider intus noch den nuschelnden Barmann. Dafür hat mich wahrscheinlich schon der Englisch-Unterricht in der Schule trainiert.

©visualstatements.net

Egal ob sich mein Englisch verbessert hat oder nicht – Ich bin zumindest selbstbewusster geworden, was das Sprechen angeht. Bevor mein Auslandssemester begonnen hat, musste ich ständig mit der Uni Nottingham telefonieren, um irgendwelche Orga-Probleme zu lösen. Der Horror für mich! Jetzt muss ich vor Telefonaten auf Englisch nicht mehr tief durchatmen, sondern mache es – wie meine Mutter sagen würde – auf dem linken Pobäckle.
Es kommt allerdings auf jeden von uns selbst an, ob und wie sehr wir unsere sprachlichen Fähigkeiten verbessern. Wir sind selbst dafür verantwortlich, die entsprechende Sprache häufig zu benutzen und nicht zu viel bei unserer Muttersprache zu bleiben. Das klingt jetzt so einfach und selbstverständlich, aber auf dem Gebiet habe ich in den letzten Tagen auch „versagt“: Erst kamen mich meine Eltern besuchen, dann bin ich am Wochenende mit deutschen Freundinnen nach Liverpool und Cambridge gefahren. Auch heute war ich nur in einer Vorlesung und habe anschließend den Deutsch-Unterricht von Briten im Rahmen eines Projekts besucht. Speaking of deutsche Blase…

Die Beatles-Statue in Liverpool Was auf dem Bild nicht zu sehen ist: Wie wir bei fünf Grad, Wind und Regen fast erfroren sind
Punting bei Sonnenschein in Cambridge  Fast wie Stocherkahn fahren daheim

Also, tun wir etwas für unsere Sprachkenntnisse! Sucht Kontakt zu internationalen oder einheimischen Studierenden, tragt in eurem Seminar etwas bei und verabschiedet euch vom Stubenhocker-Dasein. Sich einfach passiv mit der Sprache berieseln lassen hilft leider nicht so viel. Eine andere Möglichkeit zeigt uns eine Gruppe österreichischer Studenten, die ich hier kennengelernt habe: „Wir haben unter uns ausgemacht, dass wir immer nur auf Englisch miteinander sprechen und chatten.“ Das geht mir persönlich zwar ein bisschen zu weit, aber wem das gefällt – nur zu. Ich antworte den Österreichern allerdings konsequent auf Deutsch – einfach nur, um sie zu ärgern. ;)