2019 ist bald schon vorbei und auch das Ende meines Auslandssemesters
ist so langsam in Sicht. Zeit, um auf all die wertvollen Erfahrungen
zurückzublicken, die ich bisher in England gemacht habe. Beim Auslandsstudium
lernen wir nämlich jede Menge – das Wenigste davon in der Uni!
Da hätte mir Lynne Montrose sicher zugestimmt – Sie argumentierte in ihrem Artikel „International Study and Experiential Learning: The Academic Context“, dass erfahrungsbasiertes Lernen (experiential learning) für
Auslandsstudien wichtig ist. Denn nach diesem Modell erzielen wir Lernende
Bildungsergebnisse aus persönlichen Erfahrungen, die wir außerhalb der Uni
machen.
Natürlich passen nicht alle meine Erfahrungen in
diesen Blog und schon gar nicht in einen einzigen Post. Also konzentriere ich
mich mal nur auf ein paar Highlights der Dinge, die ich hier an der Uni nie gelernt hätte.
Wie ich in meiner Freizeit englische Umgangssprache
lerne und neue Sportarten wie Lacrosse oder Klettern ausprobiere, habe ich ja
schon beschrieben. Wo lernt man aber zum Beispiel mehr über britische Kultur
als in einem Pub? Englisches Bier schmeckt zwar gruselig, aber nirgends kann
man abends gemütlicher zusammensitzen (oder günstiger essen).
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Im "ältesten Pub Englands" wird der Pub-Besuch zum besonderen Erlebnis - Ye Olde Trip to Jerusalem befindet sich nämlich in Höhlen. |
Apropos „typisch englisch“: Der Besuch im Fußballstadion
war definitiv eins meiner Highlights! Obwohl es kalt war, ich keine Ahnung von
Fußball habe und unsere Mannschaft verloren hat.
Natürlich ist es viel gemütlicher, ein Fußballspiel
im Fernsehen auf dem Sofa anzuschauen. Und selbst bei dieser alltäglichen Erfahrung
des englischen Fernsehens können wir jede Menge lernen! So bin ich durch Zufall
auf The Great British Bake Off
gestoßen. Nachdem ich mit Freundinnen spontan das diesjährige Finale beim
Public Viewing angesehen hatten, waren wir uns einig: Es gibt nichts
Britischeres. Und wer hätte gedacht, dass eine Backshow so nervenaufreibend
sein kann? Als eine Kandidatin ihr Soufflé aus der Form holen wollte, kam ihr statt
eines festen Auflaufs nur eine breiige Masse entgegen – Kollektives Aufkeuchen
im Kinosaal!
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Im Lauf einer Staffel backen britische Hobbybäcker an verschiedenen Stationen im ganzen Königreich. Dazu gibt's dann zum Beispiel die Geschichte von Shortbread. ©Love Productions |
Wer mehr von dem Land sehen möchte, in dem ihr
vorübergehend studiert, muss natürlich reisen. Dabei habe ich einige meiner
besten Erfahrungen gemacht – Es gibt zum Beispiel wenig Schöneres als Punting in Cambridge, Wandern in
Snowdonia oder sich beim Chatsworth House
wie in Stolz und Vorurteil zu
fühlen.
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Mr. Darcy ist mir leider nicht begegnet |
Zum Kennenlernen einer Stadt oder
Gegend gehört natürlich auch die Erfahrung dazu, das ortstypische Essen zu
probieren!
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Was ich in York gegessen habe? Natürlich Yorkshire Pudding (unten links)! |
Ich habe ja schon ausführlich von den vielen
Abscheulichkeiten berichtet, die die Engländer auftischen – die Erfahrung eines
Full English Breakfast werde ich
leider niemals vergessen können – aber an der Stelle muss ich noch betonen,
dass es auch viel Leckeres gibt. Da Engländer immer und überall Crisps essen, gibt es natürlich eine
riesige Auswahl! (Allerdings gibt es auch hier etwas … spezielle
Geschmacksrichtungen wie „Rosenkohl“ oder „Trüffel“.) Am meisten begeistern
mich aber britische Süßspeisen! Natürlich Scones
und Shortbread, aber auch Kuchen wie Victoria Sponge Cake, Carrot Cake (!!!) und verschiedene
kleine Tarts. Eine besondere Erfahrung war auch der Besuch einer Fudge Kitchen, wo das
Karamell-Konfekt von Hand hergestellt wird.
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Die flüssige Karamell-Masse wird so lange hin und her gestrichen und gerührt, bis sie fest wird |
Von so vielen Leckereien umgeben, habe ich direkt Lust
bekommen, selbst etwas Typisches zu backen! Und die Cake Society an meiner Uni hat’s möglich gemacht: Trotz meiner
bescheidenen Backkünste (ich versage sogar bei Backmischungen), habe ich ein
Blech goldbrauner Cheese Scones zustande
gebracht.
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Zu 90% Brittas Verdienst, die geduldig auch meine dümmsten Fragen beantwortet hat |
Auch beim Feiern, vor allem mit britischen
Freunden, habe ich viel dazugelernt. Wo sonst hört man von wichtigen
Redewendungen wie „Down it!“/ „See it off!“ für „Auf ex!“ oder hat dank Uber das Superstar-Feeling, direkt vor
dem Club aus einem riesigen Auto auszusteigen? Nach dem Ausgehen weiß ich auch
endlich, warum Engländer nie Jacken über ihren freizügigen Outfits tragen: „You
don’t need to pay for the cloakroom“ – Ein Argument, das ich als Schwäbin
natürlich sehr gut nachvollziehen kann. Dazu kommt noch, dass sie nach einigen
Drinks zwar kein richtiger Mantel, dafür aber ein sogenannter „beer coat“ vor
der Kälte schützt.
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Down it! |
Beim Experiential
Learning findet laut Lynn Montrose der eigentliche Lernprozess aber eher
weniger während der Erfahrung selbst statt, sondern wenn wir uns im Nachhinein Gedanken
darüber machen. Was wir von einer bestimmten Erfahrung denken beeinflusst
nämlich auch unser zukünftiges Verhalten.
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©Imgflip |
Solche neuen und extremen Eindrücke gehen uns ja meist ganz von selbst
noch lange im Kopf rum! Also, unternehmt so viel wie möglich außerhalb der Uni.
Netflix, Bücher und Social Media sind auch nach eurem Auslandssemester noch da.
Glaubt mir, ich spreche aus Erfahrung. ;)
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