In meinem letzten Post ging es um Freundschaften und wie sie uns das
Einleben in eine fremde Kultur leichter oder sogar schwerer machen können. Aber
was bedeutet das überhaupt – „Einleben in eine fremde Kultur“? Sicher nicht,
dass ich nach einem Semester in England mit einem gefakten britischen Akzent nach
Hause zurückkomme, ständig Tee trinke und in jedem zweiten Satz „Also in
England war das ja ganz anders“ sage.
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©Giga |
Mit cultural
immersion ist eher gemeint, dass wir aktiv in eine fremde Kultur
eintauchen. Wir bemühen uns, diese kennenzulernen, zu verstehen und uns zu integrieren.
Klar, dass wir uns das auch für unser Auslandsstudium wünschen. Wir wollen uns
ja nicht sechs Monate oder länger wie komplette Außenseiter fühlen. Leider ist
es aber nicht selbstverständlich, dass cultural
immersion bei Auslandsstudenten auftritt. Es kann, muss aber nicht. Eine
Studie (Students‘ Immersion Experiencesin Study Abroad, Goldoni) hat gezeigt, dass der Erfolg größtenteils von uns
Auslandsstudierenden selbst abhängt.
Ich zeige mal an einem Beispiel, wie ihr es am besten
nicht macht. Eine meiner
Mitbewohnerinnen im Wohnheim kommt aus den USA. Sie sei sowieso schon
wählerisch, was Essen angeht und hier in England würde einfach alles furchtbar
schmecken, sagt sie. Englisches Essen hat ja wirklich keinen guten Ruf, aber im
Supermarkt hat es ganz normale Lebensmittel wie überall anders auch. Meine Mitbewohnerin
sucht allerdings stur nach ganz bestimmten (amerikanischen) Gewürzmischungen und
Soßen und erwartet, im Supermarkt genau die gleichen Hot-Dog-Würstchen wie bei
sich daheim zu finden. Sie isst oft bei McDonald’s, obwohl es nicht mal da wie
in Amerika schmecken würde. Außerdem sucht sie hier nur Kontakt zu anderen
US-Amerikanern und sitzt, wenn sie keine Uni hat, meistens in ihrem Zimmer. Als
sie mir erzählt hat, dass es ihr hier bisher noch nicht so gut gefällt, war ich
also nicht wirklich überrascht.
Laut Goldoni kann cultural immersion nämlich daran scheitern, dass wir uns zu sehr
auf unsere eigene Kultur fokussieren und so voreingenommen gegenüber der
fremden Kultur sind. Als Folge ziehen wir uns dann gerne zu Auslandsstudierenden
mit gleichem kulturellem Hintergrund zurück.
Die Studie zeigt aber auch, wie cultural immersion gut funktionieren
kann. Eine riesige Hilfe sind Freundschaften zu Einheimischen (Kommt uns das
nicht bekannt vor?). Positive Auswirkungen hatten vor allem ein enges
Verhältnis zur Gastfamilie (gibt es in meinem Fall ja nicht) und romantische
Beziehungen (bisher hat mich leider noch kein perfekter Gentleman mit
umwerfendem Akzent zum Tee in sein Herrenhaus eingeladen, aber die Hoffnung
stirbt zuletzt). Das hilft auch mir wirklich am meisten! Bei Freunden kann ich
einfach nachfragen, wie hier die Dinge laufen, bevor ich in ein Fettnäpfchen
trete, zum Beispiel „Wie viel Trinkgeld soll ich geben?“. Auch super für cultural immersion sollen Reisen, auf denen
wir das Land noch besser kennenlernen, und Hobbies sein.
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Unterwegs auf der berühmten Canal Street in Manchester |
Seid generell immer offen und bereit, neue Dinge auszuprobieren. Ich
habe mir zum Beispiel vorgenommen, jedes typisch englische Essen zu testen –
egal, wie eklig.
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Ja, ich habe auch Black Pudding gegessen. Es war besser als gedacht! |
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Englisches Essen hat auch gute Seiten: Afternoon Tea mit Faye |
Außerdem versuche ich, nicht krampfhaft an der deutschen Kultur festzuhalten
und auf Gewohntes zu verzichten. Mein einziger Rückfall: Brezeln von Lidl. Und ja,
ich bin eine Wiederholungstäterin. Aber hey, immerhin hab ich’s geschafft, das German Rye Bread wieder zurückzulegen.
Total hilfreich fand ich es auch, mich einfach mal vorab im Internet ein
bisschen schlau zu machen. Was sind kulturelle Besonderheiten des Landes? Wie
begrüße ich wen? Was sollte ich unbedingt vermeiden? So ist in Großbritannien zum
Beispiel Höflichkeit extrem wichtig. Du solltest wirklich immer please und thank
you sagen – gerne auch mehrmals. Und natürlich sorry – egal, ob du jemanden
nur ganz leicht auf der Straße angerempelt hast. Wenn ich einem Engländer auf
den Fuß treten würde, würde er sich
entschuldigen! Außerdem habe ich es mir mittlerweile angewöhnt, auf eine
Entschuldigung auch mit einem sorry zu antworten – Man weiß ja nie. In
England ist natürlich auch das Schlange stehen unumgänglich. Queues sind
überall und wer sich vordrängelt, gilt als sehr unhöflich.
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Sogar an der Bushaltestelle! |
Übrigens oute ich mich mit meiner Kleidung jeden
Tag als Ausländerin: Im Gegensatz zu den Briten laufe ich bei zehn Grad nicht im
T-Shirt sondern mit langem Mantel und Schal herum. Irgendwo muss die cultural immersion ja auch ihre Grenzen
haben – Dafür ist mir meine Gesundheit einfach zu kostbar.
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